Der Ruf der Wildkräuter

Titelbilder-Beiträge-Wildkräuter

Wenn Wildkräuter sprechen könnten, würden sie oft ganz laut „Bitte, trete mich nicht!“ rufen. Wer ganz sicher nicht auf die oft unbeachteten Naturschätze tritt, ist Anita Nacke. Ihr geschulter Blick kennt Unkraut vom wertvollen „Heilkraut“ weg. Die Neuhauserin ist zwar hauptberufliche Sozialpädagogin/Erzieherin, aber vor allem auch Kräuterführerin aus Passion.

In der Waldsassener Umweltstation, welche vom Staatsministerium für Umwelt gefördert wird, nahm sie 2015 an dem Ausbildungskurs „Kräuterkunde“ teil. „Der Kurs in Waldsassen war für mich eine persönliche Bereicherung und Vertiefung meiner seit Kindheitstagen geprägten Liebe zu Pflanzen im heimischen Garten und in der Natur. Ich konnte unglaublich viel in dem klösterlichen Naturerlebnisgarten, beziehungsweise dem Klosterpark mit seinen groß angelegten Kräuterspiralen entdecken und dort kennenlernen, was auf das Wissen der im Mittelalter lebenden Hildegard von Bingen zurückführt“, erzählt Anita liebevoll.

Die Waldsassener Kräuterschulungen sind mittlerweile über die Oberpfälzer Grenzen hinaus bekannt. Um einen der 25 Teilnehmerplätze pro Kurs belegen zu können, nehmen Interessierte inzwischen weite Anreisen auf sich. 

„Ich hatte sozusagen das Glück ganz in der Nähe und bin seitdem auch gut mit den dort kennengelernten Kräuterkundlern und Fachleuten über die sozialen Medien vernetzt“, so Anita.

Ein Stück Garten ist immer ein Stück Heimat

Es bereitet Anita ein wohliges Gefühl im Herzen, dass das Interesse und das Bewusstsein der Menschen für Naturprodukte zunimmt. Viele junge Leute, die aufgrund ihres Studiums zeitweise in Großstädten leben und wieder in die ländliche Heimat zurückkehren, verbinden das Gefühl des Zuhauseseins meistens auch mit einem Stück Garten. „Es ist, als könnte ich in meinen Händen noch die Erde fühlen, mit der ich als Kind immerzu im  Garten meiner Oma spielte – was sicherlich mein heutiges Verlangen mit der Natur zu arbeiten entscheidend prägte“, erklärt uns die „Kräuterfrau“. 

Wenn weniger gut tut

Ob es Vorträge für Pfadfindergruppen oder für Frauenbunde, ob es geführte Kräuterwanderungen für Schulklassen, Kindergruppen oder Privatgruppen sind, immer weist Anita darauf hin, dass die Kräfte der Kräuter besonders dann gut tun, wenn man erst Ursachenforschung betreibt und sie dann auch richtig dosiert. Obwohl sie schon selbst so viele Heilwirkungen erfuhr, hört sie nie auf zu hinterfragen. „Man neigt immer dazu, die Symptome zu bekämpfen und nicht die Ursachen. Warum hat man Kopfschmerzen? Weil vielleicht der Nacken verspannt ist? Und warum ist der Nacken verspannt? Weil man eventuell zu viel oder zu starr sitzt. Wenn man die Probleme am Schopf packt, lassen sie sich auch besser behandeln. Es reicht zum Beispiel ein Blatt des Salbeis für einen Liter Wasser aus, es ist wohlschmeckender, weniger bitter und erzielt beste Wirkung. Bei Bauchschmerzen sagt man dem Fenchel als Tee, als Gewürz oder in Tablettenform gepresst eine lindernde Wirkung nach. Jetzt gerade im Herbst, wo die Hagebutte als Frucht der Rose in vielen Gärten zu ernten wäre, könnte man sie in einem Tee oder zu Marmelade verarbeitet als reichhaltigen Vitamin-C-Spender genießen. Allerdings muss man im Herbst bedenken, dass sich bei den Kräutern die meisten Wirkstoffe in die Wurzeln zurückziehen“, lässt uns Anita aus ihrem großen Erfahrungsschatz wissen. „Selbst der oft unterschätzte Efeu lässt sich nützlich machen, indem man eine Hand voll Blätter zum Beispiel in einen Socken füllt und damit Schmutzwäsche reinigt“, verrät die „Kräuterfee“. Zu ihrem Bedauern verschwinden aufgrund der Überdüngung und intensiven landwirtschaftlichen Nutzung unserer Böden schleichend viele Pflanzen wie beispielsweise die mittlerweile unter Naturschutz stehende Arnika oder der einst üppig wachsende Beifuss.

Apps und Leinensäckchen

Wer wild wachsende Pflanzen erkennen möchte, kann auf die „Flora Incognita App“ zurückgreifen, die wissenschaftlich begleitet wird und schnell sowie sehr genau Auskunft gibt. Neu und recht beliebt ist das „Regio-Packerl“, ein mit diversen Naturschätzen gefülltes Leinensäckchen, das bei jeder gebuchten Wanderung ausgeteilt wird.

Scheinbar ist doch gegen alles ein Kraut gewachsen – man darf es nur nicht zertreten.