Wenn Bäume sprechen könnten

Wenn Bäume sprechen könnten, dann wäre im westlichen Landkreis Neustadt an der Waldnaab zwischen Pressath und Grafenwöhr so einiges zu hören. Tannen, Fichten und Kiefern, welche sonst nur in Nordamerika oder Kanada beheimatet sind, sind hier „zusammengewachsen“. Schon erstaunlich, weil eigentlich in der Nordoberpfalz nur die Weißtanne heimisch ist.

Des Rätsels Lösung hat einen Namen: Forstdirektor Gerhard Hösl. Er experimentiert mit fünfzehn Baumarten aus aller Welt. Dass ein Förster schon alleine berufsbedingt eine Vorliebe für Wald und Bäume haben muss, liegt auf der Hand. Für Hösl ist sein Beruf aber Hobby und Berufung zugleich. Seine Naturverbundenheit hat sich schon während seines Studiums gezeigt. „Ich hatte mir ein Waldgrundstück gekauft, um zu sehen, wie die Tannen bei uns wachsen und wie die Waldpflege praktisch abläuft. Alleine aus Pflegegründen muss man immer wieder bestimmte Bäume entfernen“, so der Förster.

Mittlerweile hat sich sein „Bildungswald“ stark vergrößert, auf rund 5000 Hektar. Ein kleiner Teil davon, etwa acht Hektar, ist für den Anbau von Weihnachtsbäumen und Schnittgrün vorgesehen. Der Bedarf an Weihnachtsbäumen ist immens. Alleine die Deutschen kaufen jedes Jahr über 20 Millionen.

Die schöne Tradition des „Oh Tannenbaum“ hat aber auch seine Nachteile, da die meisten Bäume aus industriellen Betrieben stammen. Bis der Baum festlich geschmückt im Wohnzimmer steht, hat er meistens eine weite Reise hinter sich. Viele von ihnen werden extra aus Dänemark importiert. Großflächiger Kahlschlag und durch große Harvester zerstörte Waldböden sind nur einige Folgen der industriellen Ernte. Anders ergeht es den „Hösl-Bäumen“, denn hier wird auf ökologischen Anbau gesetzt. Auf den Einsatz großer Maschinen wird verzichtet, dafür kommt die Handsäge zum Zug. Es ist schon fast ein Event für viele Familien, wenn sie ihre Bäume eigenhändig im Wald fällen dürfen. Meistens handelt es sich dabei um Stammbreiten von fünf bis zehn Zentimetern, außer es wird seitens einer Kommune ein größerer Baum bestellt. Besonders beliebt ist das Baumfällen vor Ort bei Firmen, die sich danach in gemütlicher Runde mit Glühwein in den weihnachtlich dekorierten Waldhütten aufwärmen.

Keine Jahreszeit mit Auszeit

Ob im Sommer oder Winter, es gibt immer viel zu tun. Im März ist das große Anpflanzen angesagt. Freie Stellen werden mit jungen Bäumen begrünt. Damit die Pflanzen aber ihre schöne grüne Farbe bekommen, benötigen sie zur Photosynthese die Zugabe von Stickstoff. Jede Pflanze wird einzeln gedüngt. Dem unliebsamen Unkraut ist zwar kein Kraut gewachsen, aber dafür hat der Waldbetrieb sein ganz spezielles Einsatzteam: Shropshire-Schafe. Fünfzehn Schafe stehen im Dienste des Försters. Diese ganz besondere Rasse frisst jegliches Unkraut, aber keine Nadeln. So können die Bäume unbeschadet wachsen. „Ganz ohne Chemie komme ich leider nicht aus“, gibt Gerhard Hösl zu. „Brennnesseln und alles, was die Schafe nicht verspeisen, muss ich anderweitig eindämmen“. Bis Ende August dauert die Wachstumsphase. Dann können die Bäume ausgezeichnet und etikettiert werden, welche geschnitten werden dürfen. Andere Sprösslinge werden nochmals in Form gebracht.

Multikulti-Tannenland

Im Pressather Tannenland ist Vielfältigkeit gewünscht, also ganz anders als es die monokulturellen Industriezüchtungen bevorzugen. Aber gerade die Artenvielfalt bringt viele Vorteile mit sich. Sie minimiert beispielsweise das Schädlingsrisiko und bietet sämtliche Selektionsmöglichkeiten. In einem regenarmen Jahr wie 2018 sind besonders trockenheitsresistente Bäume gefragt. Zur Weihnachtszeit allerdings führt in Deutschland fast kein „Weihnachtsschlitten“ an der Nordmanntanne oder Blaufichte vorbei. Der amerikanische Traum vom Weihnachtsbaum sieht hingegen eher kegelförmig aus. So werden in den „Christmas Tree Farmen“ schnellwachsende Bäume gezüchtet, die sogar mit Macheten in Form getrimmt werden. Der Förster muss immer noch schmunzeln, als er erzählt, dass seine amerikanischen Kunden teilweise wünschen, dass er die Baumspitze abschneidet. Beim ersten Mal hielt er es für einen Scherz.