Ein Wald voller Baumkuchen

Im allseits bekannten Schlaraffenland wachsen an Bäumen wahrscheinlich die herrlichsten Kuchen. In dem vom Oberpfälzer Wald umgebenen Ort Waidhaus scheint man dem Schlaraffenland kulinarisch scheinbar ganz nahe zu sein. Dass Bäume allerdings echte Kuchen backen, wird ein Tagtraum bleiben. So muss auch ein ganz besonderes Naschwerk immer noch durch das Können einer meister- lichen Konditorenhand entstehen.

Josef Lindner ist einer von wenigen Meistern in unserer Region, welche die Herstellung von „Baumkuchen“ beherrschen.
Aus italienischen Rezepten aus dem Jahr 1426 lässt sich entnehmen, dass der Kuchen früher wie auch noch heute über offener Flamme gebacken wird. Die Sandmasse, die aus Butter, Eier, Mehl, Zucker und verschiedenen Gewürzen besteht, wird schichtweise auf eine spezielle Walze aufgetragen und in der Hitze geröstet bzw. gebacken. Weil die einzelnen Schichten den Jahresringen eines Baumes ähneln, entstand der Name dieses speziellen Kuchens. 

Große Hitze, zartes Dahinschmelzen

Der leidenschaftliche Bäcker lernte die Technik der hitzigen Herstellung während seiner Lehre im einst bekannten Café Rösch in Regensburg. „Schon in meiner Ausbildung war ich fasziniert von den Baumkuchen, die das Pflichtgebäck der Konditoren-Meisterprüfung sind. Sie sind sogar das Symbol der Konditoren-Innung. Ich erinnere mich besonders an die Weihnachtszeit, als ich nichts Anderes tat, als mit Lederschürze am Feuer zu backen und zu schwitzen“, erzählt Josef und schmunzelt über die heiß-kalten Erinnerungen an seine jungen Lehrjahre.  

Seinerzeit und heutzutage

Damals wie heute hat sich nichts geändert – im Winter herrscht Hochbetrieb in der Backstube. An sich ist der Baumkuchen kein saisonales Gebäck, aber an kalten Tagen schmeckt der „g`schmackige Feuerteig“ im Schokoladenmantel am besten – einfach zum Dahinschmelzen. 

Das feine Gebäck ist weltweit zuhause. Besonders in Japan, England und Österreich liebt man den außergewöhnlichen Geschmack. Die Rezeptur der Masse ist gesetzlich vorgeschrieben, sodass der Kuchen unter einem wohl behüteten „Schokoladen-Schutzmantel“ ruhen kann. 

Josef Lindners Baumkuchen unterscheidet sich jedoch wesentlich von vielen anderen. „Ich drehe die Walze relativ schnell, wodurch eine wilde Struktur und eine ganz eigene Optik entsteht. Man könnte sagen, unser Baumkuchen spiegelt den Charakter der Waidhauser wieder“, erzählt er mit einem Schalk in den Augen. 

Aus seinem eigenen Erfahrungsschatz weiß der Bäcker, wenn zwei das Gleiche machen, dass am Ende nie das Gleiche herauskommt – vor allem nicht bei der Baumkuchen-Herstellung. Der „Back-Teufel“ steckt hier besonders im Detail: Die Herstellung der Masse muss besonders gut beherrscht werden, ebenso ist die Regelung der Feuerhitze ein Können für sich. Und würde zum Beispiel eine Schicht zu wenig oder zu viel gebacken werden, lösen sich am Ende die weiteren Schichten voneinander ab.  

Ring für Ring geht`s nach Japan dahin

„Es ist kaum zu glauben, aber unsere Kunden sind dank Mund-zu-Mund-Werbung weltweit zuhause. So schicken wir sie auch in die weite Ferne, wie etwa nach Japan, England oder Österreich“, lässt uns der Konditor wissen. Zu früheren Zeiten, als das Café Lindner durch den Grenzverkehr nach Tschechien seine Hochkonjunktur verzeichnete, war es für viele Leute der Treff- oder Haltepunkt, um sich eine „hauchdünne Scheibe vom Baum“ zu gönnen oder ein Stückchen Genuss als Mitbringsel einpacken zu lassen. Auch wenn es heute durch den fehlenden Grenztourismus ruhiger im Café geworden ist, schaut Josefs vierzehnjähriger Sohn gerne dem Vater über die Schulter, um sich in die Geheimnisse der Baumkuchen-Kunst einweihen zu lassen und sie womöglich später fortzuführen. 

Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass die Ära der Waidhauser Baumkuchen in weiterer Zukunft nicht enden, sondern noch viele hitzige Zeiten erleben wird.