Feuer frei für Kunst & Kultur

Titelbild-Beitrag-Hausfluss
Seinerzeit ahnte sicher niemand, dass in der „Alten Schießstätte“ in Neustadt/WN statt harter Geschütze einmal künstlerische Geheimwaffen Stellung beziehen würden. Letzteres passt auch viel besser zu dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus, welches idyllisch hinter der Neustädter Altstadt und der ruhig dahinfließenden Waldnaab eingebettet liegt.
Jedes Haus hat seine Seele
Die gute Seele des alten Gemäuers hat einen Namen: Josef Weber. Ein Architekt aus Leidenschaft und mit geschultem Blick für erhaltungswürdige Bauwerke. Es ist sein Verdienst, dass das aus dem Jahr 1707 stammende, geschichtsträchtige Gebäude heute seine wohl beste Zeit erleben darf. Ursprünglich als Schießstätte und später als Zeughaus der Bürgerwehr dienend, in weiteren Jahren als Umkleide- und Sportgebäude beansprucht, danach für Feuerwehrzwecke umgebaut, als Werkstätte für die städtische Schreinerei zweckentfremdet und schlussendlich als Lagerplatz für städtische Gerätschaften in einen maroden Zustand versetzt, sollte 1994 der ständige „Tapetenwechsel“ durch einen kompletten Abriss beendet werden. Dies konnte allerdings das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege verhindern.
Startschuss für „Hausfluss e.V.“
Der damalige Unternehmer und Stadtrat Ludwig Fritsch, dem ein Erhalt des Hauses sehr am Herzen lag, fand in Josef Weber einen kompetenten Partner, um das Haus zu retten und zu erhalten. Womöglich war es ein guter Hausgeist, der dem jungen Architekten Josef Weber die Idee zuflüsterte, das alte Gemäuer als „Ort der Künste“ wieder zu beleben. So wurde 1997 ein Kunstverein unter dem Namen „Hausfluss e.V.“ gegründet.
Offene Bühne
Vorsitzender Stephan Argauer (Herzblut-Gastronom), Tobias Punzmann (technischer Redakteur) sowie die beiden Architekten Peter Troppmann und Josef Weber stehen seither mit vollem Engagement hinter der Idee des Vereins. Ein paar weitere aktive und rund zehn eher „ruhigere“ Mitglieder realisieren Events künstlerischer und unterhaltsamer Art. Es wird Wert auf eine offene Bühne gelegt, die überwiegende Leere innerhalb des Hauses bietet Platz für kurzzeitige Verwirklichungen jeglicher Art. „Woran ich mich spontan zurück erinnere, ist an eine fotografische Dokumentation eines Ausstellers, der mit seinen Bildern den Werdegang unserer Nahrung zeigte“, erzählt Tobias. „Keiner setzt sich mehr mit dem Ursprung unseres Essens auseinander, daher wollten auch damals nur wenige Leute die Bilder vom Schlachtvorgang sehen, sondern ließen sich lieber draußen „ungesehen“ das Spanferkel schmecken“, fügt Stephan hinzu.
Viel abgespielt
Seit 1997 hat sich in der Tat viel im Haus und auch davor abgespielt. Anfangs zeigten sich die Veranstaltungen mitgliederabhängig folglich eher „architekturlastig“, wobei sich aber schnell Kunstausstellungen jeglicher Ausrichtung hinzu gesellten. Da der Oberpfälzer sich oft erst ein wenig verhalten gegenüber Neuem zeigt, lud man Künstler aus der Region ein, welche den Einheimischen bekannt waren – denn hat man den richtigen Fisch an der Angel, kocht sich das Essen quasi fast von alleine. „Da anfangs überwiegend auswärtige Autonummern und kaum Neustädter Kennzeichen auf dem Parkplatz zu sehen waren, mussten wir eben das „fischen“ lernen“, gesteht Tobias. Das Zusammenspiel mit dem Weidener Kunstverein und weiteren in der Region unter dem Namen „Kunstkooperative Oberpfalz“ mit Gegenwartskunst funktionierte hingegen sofort. „Ich denke noch heute daran, als wir im Zuge der Kooperation einen Künstler einluden und kein einziger Zuschauer kam. Mir war das damals direkt peinlich, wohingegen es für den Künstler nichts Außergewöhnliches war. Er erklärte mir, dass man nicht erwarten kann, dass gleich hunderte Leute kommen“, erinnert sich Tobias.
Zusammenfinden
Im Laufe der Zeit fanden sich immer mehr Kunstinteressierte ein. Es entstand ein Kino, in dem der Verein Stummfilme von der Rolle zeigte und mit Film-CDs das Publikum weiter bespaßte. Kinotage wurden zu festen Events und gerade in der heutigen, von der Pandemie geprägten Zeit ist die Begeisterung über mögliche Filmveranstaltungen groß. Gerne lädt man dazu Regisseure wie Erik Grun oder Filmemacher wie den Regensburger Hubertus Hinse ein. Das Programm wurde über die Jahre erweitert – ob Kabarett-, Hörspiel- oder Musikveranstaltungen, Foto- oder Skulpturen-Ausstellungen, es ist ein Ort für kreative und lebensgefüllte Begegnungen. Für Tobias und Stephan ist es auch eine emotionale Verbindung, die seit über 20 Jahren aufrecht erhalten wird und für kunstinteressierte Menschen individuelle Auszeiten bietet. Auch wenn der Oberpfälzer nicht oft lobende Worte verliert, ist die Tatsache, dass es den „Hausfluss e.V.“ schon so lange gibt, das größte Kompliment an die Kunst und die engagierten Menschen dahinter.