Rechts, links, vor, zurück … Wer jetzt denkt, wir befinden uns gerade in einer Tanzschule, der irrt sich. Wir sitzen ganz still auf einer Wiese und beobachten die „tanzenden“ Ohren von „Karl-Heinz“. Ehrlich gesagt könnten wir noch eine ganze Weile so verharren, aber wir wollen mehr über unser Objekt der Begierde wissen und machen uns auf den Weg zu Leila Smekal –
ihr ist das Wackelohr bestens bekannt.
„Herzlich willkommen im Zuhause der flauschigen Momente!“ Aber Moment mal – wie kann es sein, dass ein Lebewesen mit so viel „Knuddelpotential“ ausgestattet ist? Die magische Anziehungskraft und das Verlangen zu kraulen und zu schmusen ist gewaltig. Dass in Pirk ganz oft die Funken der Liebe auf den ersten „Kulleraugenblick“ sprühen, ist nachvollziehbar. „Bei mir war es die Liebe auf den zweiten Blick, weil mein erster Blick auf einen Gutschein fiel“, erzählt Leila lachend und reist gedanklich einige Jahre in die Vergangenheit zurück.
„Wie es oft bei Männern so ist, klopft Weihnachten sehr plötzlich an die Türe, und die unerwartete Not, noch ein Geschenk zu ergattern, ist groß. So erging es auch meinem Lebensgefährten Marco, und ich durfte am 24.12.2010 einen spontan ausgedruckten Umschlag öffnen, welcher allerdings einen sehr spannenden Gutschein enthielt. Es sollte für mich in den Bayerischen Wald in eine Blockhütte gehen, die einen wundervollen Ausblick auf eine Alpaka-Herde versprach. Natürlich wollte ich schnellstmöglich mein Geschenk „live“ erleben. Leider erfuhr ich bei der Buchungsanfrage, dass das Haus bereits in den nächsten neun Monaten ausgebucht war. Impulsiv sagte ich: „Dann brauchen wir eben eigene Alpakas.“ So entstand aus einer spaßig gemeinten Reaktion am Ende ein Herzenswunsch und ein
stichfester Plan.
Ende Januar 2019 nahm der Plan dann feste Formen an. „Wir besuchten im Bayerischen Wald eine Veranstaltung eines Alpaka-Züchters und fühlten uns mit allen Informationen rund um die Tierhaltung und Alpakapflege wohl. Die Arbeit mit Tieren bzw. das Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier hat mich schon immer begeistert. Daher studierte ich Soziale Arbeit, schrieb in meiner Bachelorarbeit über heilpädagogisches Reiten und arbeite hauptberuflich als Sozialpädagogin im Jugendamt in Weiden. Glücklicherweise bot der Züchter damals die Zusatzausbildung „Fachkraft für tiergestützte soziale Arbeit mit Schwerpunkt Alpakas, zertifiziert nach ESAAT (European Society for Animal Assisted Therapy)“ an. Aufgrund dessen ist es mir heute möglich, auch pädagogische Stunden mit unseren Tieren anzubieten“, erklärt Leila dankbar.
Im August 2019 war es endlich so weit: Die ersten fünf „Wollknäuel“ betraten zum ersten Mal die „Pirker Anhöhe“. Ursprünglich stammt die Rasse aus den bergigen Anden. Diese karge Landschaft Südamerikas hat die Vierbeiner zu genügsamen Futterverwertern geprägt. Ihre Ernährung basiert auf Heu, Gras und einer hierzulande nötigen Mineralfutterergänzung, da unsere heimischen Böden oft nicht ausreichend Nährstoffe liefern.
„Grundsätzlich starten wir mit unseren Gästen immer mit einer Einführung in die Welt der Lamas und Alpakas. Jedes Tier wird vorab vorgestellt – denn wir haben es hier mit 15 Charakteren zu tun. Dann versammeln wir uns mit den Wandergästen in der Stallung und klären über das Fressverhalten auf. Meistens wird davon ausgegangen, dass Obst, Karotten, Äpfel oder Brot auf dem Speiseplan stehen. Aufgrund ihrer Abstammung kennen und vertragen die Tiere all das aber nicht. Im schlimmsten Fall kann so eine Fütterung tödlich enden. Wir sind daher sehr um Aufklärungsarbeit bemüht, um unsere Herde vor Fehlverhalten zu schützen.“ erklärt Leila. Für die Fachfrau sind die pädagogisch geprägten Erlebnisse besonders wertvoll. „Wenn Menschen aufgrund von Erkrankungen oder Defiziten an Lebensqualität verloren haben, macht es mich sehr glücklich, dass wir mit unseren Tieren positiv einwirken können. Kinder lernen z. B. Verantwortung und Strukturen kennen. Sie müssen sich kümmern und ein gewisses Maß an Fürsorge übernehmen. Bei unseren Wanderungen durch die Natur fällt der Stress- und Lärmpegel ab, man verspürt innerliche Ruhe. Demenzkranke Menschen, denen es oft schwerfällt, neue Sachen zu erlernen oder zu erkennen, finden hier routinierte Abläufe zu jedem eigenen Charakter und der individuellen Optik unserer 15 Tiere. Auch motorische Fähigkeiten lassen sich trainieren, wenn wir die Wolle kreativ verarbeiten. Man kann vor allem auch vom Außenseiter zum Insider werden – das Wir-Gefühl ist groß.“ Bei all den Erlebnissen und guten Ergebnissen, die sich dank der gutmütigen Exoten erleben lassen, steht für ihre Besitzer deren eigenes Wohl an oberster Stelle. „Auch wenn die Nachfrage für die Wanderungen sehr groß ist, planen wir täglich nur eine Führung. Gerade Alpakas brauchen für ihre eigene Gesundheit sehr viele Ruhephasen. Wir arbeiten strikt nach der „ESAAT-Zertifizierung“, die genaue Richtlinien für eine artgerechte Tierhaltung vorgibt.“
Sich in flauschige Decken einhüllen und mit weichen Kissen umgeben, dazu bestenfalls noch in wollige Socken schlüpfen, ist meistens ein guter Start für entspannende Stunden. Wenn man dabei auf natürliche Zusammensetzungen aus Wolle oder Baumwolle achtet, dürfte ein heimeliger Wohlfühlfaktor gewiss sein. „Unsere Alpakas werden einmal jährlich geschoren. Das passiert immer dann, wenn die Temperaturen steigen und wir keinen Nachtfrost mehr haben. Spätestens Ende Mai entfernen wir dann von jedem Tier eine haarige Schicht von circa 10 bis 12 Zentimetern.
Die Schur teilen wir in drei Kategorien ein: Die Klasse A enthält die beste Wollqualität, aus welcher sich Kopfkissen und Bettwäsche herstellen lassen. Wolle, die in die Klasse B fällt, wird für die Herstellung von Naturseifen benutzt. In Klasse C landet die Schur der Beine und der Schwänzchen und ist daher eher ein Abfallprodukt. Allerdings wird diese auch gerne als Dünger für Blumenbeete genutzt“, lehrt uns die 34-jährige Schöpferin der wohligen Accessoires.
Auch wenn es auf der Alpaka- und Lama-Ranch dank Kindergeburtstagen, Ferienprogrammen oder neugierigen Besuchern oftmals bunt und laut zugehen kann, pendeln sich sanfte Gefühle schnell ein. „Umso ruhiger der Mensch wird, umso ruhiger verhalten sich auch die Tiere. Bevor ich die Besucher zur Besonnenheit aufrufen muss, tun es die Lamas und Alpakas auf ganz stille Weise. Es ist immer eine bewegende Beobachtung, wie schnell und unaufgeregt sich zum Beispiel Kinder dem Verhalten unserer Vierbeiner anpassen können. Die sanften Berührungen und das natürliche Umfeld schaffen eine so friedliche Atmosphäre, die man am liebsten anhalten möchte. In der Herde herrscht eine ganz eigene Hierarchie, die besonders bei den Wanderungen für reibungsfreie Abläufe sorgt. „Ludwig“, unser Herdenchef, sorgt für eine gute Grundstimmung. „Oz“, unser sehr selbstbewusstes Lama, führt die Herde bei den Wanderungen an. Man kann kein Tier mit dem anderen vergleichen, sie haben ihre ganz eigenen Verhaltensweisen. Wenn ich mit Kindern und Jugendlichen, die eine gewisse Art von Förderung benötigen, zusammenarbeite, plane ich vorab genau das Tier für die pädagogischen Stunden ein. Viele kleine Menschen sind anfangs schüchtern, wenn wir mit unseren Stunden beginnen. Während dieser Annäherungsphase bildet das Tier dann ein optimales Beziehungsdreieck und Kommunikationselement. Es fällt vieles leichter, wenn sich ein Lama oder Alpaka dazwischenkuschelt“, erklärt uns die Frau vom Fach dankbar.
Den Alltagsstress zu bewältigen, ist nicht immer leicht. Viele suchen einen Ausweg und Zufluchtsort, um dem Stress zu entkommen. Sich mental und körperlich von Lastern und Verspannungen zu befreien, fällt einigen mittels Yoga leicht. Um diese Momente auf ganz außergewöhnliche Weise erleben zu können, treffen sich neuerdings Yogis inmitten der idyllischen Weidewiese der Pirker Alpaka- und Lamaherde. „Katrin Hüttner ist geschulte Yogalehrerin und führt unsere Gäste durch die 120-minütige Auszeit. Das Gras unter den Füßen zu spüren, die frische Landluft und der Anblick der sanften Wesen stimulieren Selbstheilungskräfte und Lebensenergie. Es kann auch schon mal vorkommen, dass sich „Karl-Heinz“, unser Knuddelbär, mit auf eine Yogamatte hinschmiegt“, gibt die „Lamafrau“ lachend preis. Damit sich der Kreis des „ungenutzten Weihnachtsgutscheins“ schließt, hat Marco ein sehr einladendes, voll ausgestattetes Tiny House , das Pirker Anden Chalet, errichtet. Wir durften uns am Ende unserer Alpakawanderung in der bezaubernden Herberge umsehen und garantieren einen uneingeschränkten „Kuschel-Ausblick“. Am liebsten wären wir geblieben.







