Rehkitze kommen im Frühjahr zur Welt. Die ersten Lebenswochen verbringen sie meist gut versteckt in hohem Gras, während die Mütter auf Futtersuche sind. In fast allen Wiesen sind Rehkitze versteckt, insbesondere in der Nähe von Wäldern.
Bei Gefahren laufen sie nicht davon, sondern ducken sich in-stinktiv noch tiefer in die Wiese. Für den Schutz vor Fressfeinden ist das sinnvoll, denn sie verfügen noch über keinen Eigengeruch und werden so meist nicht gefunden. Dieser Instinkt hat aber schreckliche Folgen, wenn die Landwirte dann das erste Mal mit ihren riesigen Maschinen die Rehkitze übermähen.
„Dies wollte ich einfach nicht mehr so hinnehmen. Als ich von der Möglichkeit der Wiesenabsuche mit Wärmebilddrohnen gehört habe, hab ich mich mit ein paar Freunden zusammengetan.“, so Stefan Radies. Der Püchersreuther gründete im Jahr 2021 den Verein „Rehkitzrettung NEW-WEN e. V.“ und ist seitdem dessen 1. Vorsitzender. In dem Verein fanden sich engagierter Tierschützer, Drohnenpiloten, Jäger, Landwirte und andere Naturfreunde zusammen, um Rehkitze und andere Wildtiere vor dem grausamen Tod durch das Übermähen zu bewahren. Während andere Vereine mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben, scheinen die Initiatoren hier einen Nerv getroffen zu haben, denn der junge Verein zählt bereits über 150 Mitglieder, darunter auch Organisationen wie der Maschinenring, der Bauernverband, der Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald, der Landkreis NEW und die Stadt Weiden.
Nach einem heuer witterungsbedingt späten Saisonstart ging es Anfang Mai richtig rund. Bis zu neun Einsätze an einem Tag bewältigten die ehrenamtlichen Rettungsteams. Vorsitzender Stefan Radies präsentiert stolz die beeindruckende Bilanz der zweiten Saison: „Wir haben bei 122 Einsätzen auf 438 Wiesen insgesamt 1013 Hektar abgeflogen und dabei 227 Rehkitze und 7 andere Tiere gerettet! Die ehrenamtlichen Drohnenpiloten, Spotter und Träger waren meist frühmorgens unterwegs, waren hochmotiviert und haben sich über jedes gerettete Tier gefreut!“. Diese Zahlen stellen jeweils ungefähr eine Verdreifachung zum Vorjahr dar, als in der ersten aktiven Saison des Vereins 67 Kitze gerettet wurden. „Wenn man den Sonnenaufgang über den Wiesen erlebt und dann sogar noch ein kleines Rehkitz retten kann, ist das Aufstehen um 4 Uhr morgens schnell vergessen!“, schwärmt eine Helferin.
Inzwischen verfügt die Rehkitzrettung über vier vereinseigene Wärmebilddrohnen-Sets und einige im Privatbesitz der Drohnenpiloten. Dadurch können zu Stoßzeiten in der Hochsaison – etwa vor einem angekündigten Wetterumschwung – auch mehrere Einsätze parallel bewältigt werden. Eine Mammutaufgabe auch für die Disposition!
Auch wenn nicht bei jedem Einsatz Kitze gefunden wurden, konnten das Absuchen mit den Drohnen den Landwirten die Sorge vor dem Übermähen von Rehkitzen nehmen. „Die Zusammenarbeit mit Landwirten, Jagdpächtern und allen anderen Beteiligten läuft wirklich wunderbar.“, betont der Vorsitzende.
Aber auch abseits von Wiesen ist der Verein aktiv: Um die Rehkitzrettung noch bekannter zu machen, waren Vereinsmitglieder auf Bauernmärkten oder anderen Veranstaltungen in der Region mit Infoständen und Gewinnspielen vertreten. Und auch bereits in der Grundschule gestaltete die Rehkitzrettung einige Stunden und vermittelte den Kindern mit Rätseln und spielerischen Übungen Verständnis für die Natur und die Landwirtschaft: dabei sind die Kids als Helfer an der Drohne oder mit Funkgeräten und Rettungskörben unterwegs und haben als „Nachwuchs-Kitzretter“ viel Spaß.
Im Gebiet des Landkreises NEW und der Stadt Weiden fallen der Wiesenmahd von Ende April bis Ende Juni hunderte Rehkitze im Jahr zum Opfer. Bei einer späteren Mahd ab Juli besteht das Problem meist nicht mehr, weil die Rehe dann groß genug sind und selbst flüchten. Um den Tod der Rehkitze zu verhindern, sind Landwirte verpflichtet, ihre Wiesen vor der Mahd absuchen oder andere geeignete Maßnahmen treffen. Obwohl das auch im wirtschaftlichen Interesse der Landwirte ist, da Tierkadaver das Gras als Futtermittel gefährlich verunreinigen, ist die Suche ohne viele Helfer und Drohnen mit Wärmebildkamera nicht effektiv und ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Die Wärmebilddrohnen erkennen den Temperaturunterschied der warmen Tierkörper im Vergleich zur kühleren Umgebung. Auch deshalb finden die Suchaktionen meist in den sehr frühen Morgenstunden statt. Die sogenannten „Spotter“ erkennen die Kitze auf dem Monitor und lotsen die „Träger“ per Funk zu den Tieren. Diese Helfer tragen die Rehkitze aus der Wiese und sichern sie in Körben bis nach dem Mähen.
Wer Lust hat, sich bei der Rehkitzrettung als Helfer oder Drohnenpilot zu engagieren oder den Verein finanziell unterstützen möchte, findet weitere Infos, Termine, Fotos, Mitgliedsanträge usw. unter www.rehkitzrettung-new-wen.de.