Wenn in Tännesberg frühmorgens die Sonne über den Hügeln aufsteigt, riecht es nach frisch gebackenem Brot. Ein feiner Duft von Malz, Butter und Lauge hängt über dem kleinen Ort. Wer um diese Zeit an der Naturparkbäckerei von Wolfgang Spickenreither vorbeigeht, hört das Klappern der Bleche und das Rauschen des Ofens – ein leises Versprechen von Handwerk, das noch Herz hat.
„Meine Leidenschaft ist zuerst das Bäckerhandwerk“, sagt der Meister seines Berufes und streift sich den Mehlstaub von den Händen. Doch wer ihm zuhört, merkt schnell: Es geht nicht nur um Brot. Es geht um Werte. Um Geduld und um den Respekt vor dem, was man isst.
Wolfgang steht in seiner Backstube, zwischen Mehlsäcken, Teigkesseln und einer alten Mühle mit Starkstromanschluss. „Gott sei Dank mit Starkstrom“, lacht er. „Von Hand würde ich das zeitlich nicht mehr schaffen.“ Er mahlt sein Mehl selbst aus Emmer, einem Urkorn, das seine Bauern exklusiv für ihn anbauen. „Die Landwirte Hartinger und Klinger sind sozusagen meine beiden Hoflieferanten“, erzählt Wolfgang stolz. „Sie ernten, entspelzen, reinigen und bringen mir das Korn in Säcken abgefüllt. So habe ich die Möglichkeit, es direkt vor Ort zu mahlen und daher genau zu wissen, was schlussendlich enthalten ist – nämlich nichts außer Korn.“
Emmer, der ursprüngliche Bruder des Dinkels, wird seither nie auf Ertrag gezüchtet, sondern als reines, naturbelassenes Produkt. „Natürlich erwirtschaftet das Korn daher weniger, aber es ist dafür viel ehrlicher. Das Getreide ist sehr mineralstoffreich und enthält den Nährstoff Selen, ein wichtiges Spurenelement, welches das Immunsystem stärkt und antioxidativ wirkt. Außerdem verträgt Emmer keine chemischen Spritzmittel, was mir sehr wichtig ist. Es heißt: Wenn dieses Korn eingeht, dann ist der Boden nicht gut“, klärt uns der Fachmann auf.
Während der Herr der feinen Rezepte mit ruhiger Hand einen Teig bearbeitet, erzählt er, warum viele Menschen heute Brot nicht mehr vertragen. „Das liegt nicht am Weizen, das liegt an der Zeit. Die fehlt überall – auch im Brot.“ Früher war es selbstverständlich, dass ein Teig ein, zwei Tage ruht. Heute muss vom Kneten bis zum fertigen Brot alles in zwei Stunden fertig sein. „Und genau da liegt das Problem“, erklärt er. „Die langen Kohlenhydrate – die sogenannten FODMAPs – werden nicht mehr abgebaut. Der Darm kann das nicht verarbeiten. Dann lagert sich das zwischen den Darmzotten ab, blockiert, zieht Wasser und am Ende hat man ein feuchtes Darmmilieu und Bauchweh.“ Wolfgang lächelt, fast entschuldigend, als er das sagt – und doch steckt viel Wissen dahinter. „Durch die lange Teigruhe, wie man sie früher einhielt, baut sich das alles von selbst ab. Ganz natürlich und ganz ohne Zusatzstoffe oder chemische Tricks. Nur durch Geduld und den damit verbundenen Respekt vor dem Produkt und den Verbrauchern!“ Seine Philosophie ist einfach: zurück zum Ursprung – back to the roots. Und wer einmal sein Brot probiert hat, merkt, dass er recht hat.
Der Tännesberger ist Teil der Slow-Food-Bewegung. Für ihn ist das kein Etikett, sondern eine wahrhafte Überzeugung. „Das beschreibt genau das, was ich mache: langsame Verarbeitung, reife Teige, natürliche Fermentation. Man gibt dem Teig Zeit und der Teig gibt’s einem zurück.“ In der Gemeinschaft trifft er Gleichgesinnte – Bäcker, Bauern, Müller, die wieder so arbeiten wollen wie früher. „Wir reden oft darüber, was sich geändert hat, was früher besser war. Am Ende sind wir uns meistens einig, dass vieles tatsächlich besser war, auch wenn es bei ganz vielen Menschen noch nicht angekommen ist.“ Wolfgang sagt das nicht aus nostalgischen Schwärmereien heraus, sondern mit purem Pragmatismus. Wie jemand, der nicht stehen bleibt, sondern sich erinnert, um es besser zu machen.
„Bio brauche ich nicht hinweisend aufgedruckt auf einem Etikett“, sagt Wolfgang, während er ein Brot aus dem Ofen zieht. „Mir ist es wichtiger, dass ich weiß, wo es herkommt.“ Er arbeitet mit Bauern aus der Region, die ihre Felder kennen, die Mist ausfahren, Fruchtfolgen planen und ihre Erde lieben. „Wenn du mit so jemandem redest, merkt man gleich, dass er Respekt vor dem hat, was auf seinem Grund und Boden wächst. Das ist für mich Bio – ganz ohne Zettelwirtschaft und Umwege, um etwas schöner darzustellen, als es oftmals ist.“
Sein Vertrauen ersetzt Zertifikate, denn für den Oberpfälzer zählt vorrangig der Gedanke: „Was bringt mir ein Bio-Getreide aus Ungarn, wenn ich den Bauern nicht kenne?“ Für Wolfgang zählt das Persönliche: das Gespräch über das Feld, der Blick auf den Boden, der seine Zutaten wachsen lässt und am Ende das Wichtigste: der Geschmack, der daraus entsteht.
Er lacht, als das Gespräch auf seine Käsestangen kommt. „Die sind eigentlich zu günstig“, sagt er. „Aber ich will, dass sich’s jedes Kind leisten kann. Auch der Rentner soll sich gutes Brot leisten können. Essen darf kein Luxus sein.“ Seine über die Grenzen hinaus bekannten Käsestangen, erzählt er, sind aus klassischem Brezenteig, direkt auf heißem Stein gebacken. „Dadurch erziele ich die perfekte Hitzeübertragung. Ein Backblech würde diesen Vorgang nur stören.“ Dann schmunzelt er: „Früher gab es in der Ortschaft Pirk eine Bäckerin, die ihre Käsestangen mit Paprika verfeinerte. Das war wirklich legendär und ist vielen im Gedächtnis geblieben.“ Es ist eben die Mischung aus Handwerk, Erinnerungen und viel Herzblut, die alle Produkte der Tännesberger Bäckerei ausmachen.
Neben seiner Arbeit in der Backstube engagiert sich Wolfgang für die nächste Generation. Früher gab er Backkurse in Schulen und Kindergärten, zeigte Kindern, wie man Teig knetet, Brot bäckt und was gesunde Ernährung bedeutet. „Die Zusammenarbeit mit der Jugend war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung“, sagt er. „Wenn man jungen Menschen Einblicke in einen Beruf ermöglicht, kann man sogar die studiengeprägte, neue Generation noch fürs Handwerk begeistern. Eine meiner Azubinen, die Sophie, habe ich dadurch gewonnen und jetzt macht sie den Beruf voller Leidenschaft, was mich sehr stolz macht.“ Wolfgang liegt die Jugendarbeit sehr am Herzen. Er erklärt, dass sie ihm aktuell jedoch leider nicht möglich ist, da seine Frau und er ein Kind erwarten und er diese Zeit seiner Familie schenken möchte. Später will Wolfgang aber wieder von Herzen gern sein Wissen weitergeben, denn nur so können Berufe wie seiner weiterexistieren.
Hinter dem Laden wartet die Terrasse mit Blick auf Leuchtenberg. „Da draußen trinke ich am liebsten meinen Kaffee“, sagt er und lächelt. „Hier zeigt sich für mich meine natürliche Welt und hier spüre ich am innigsten, warum ich so arbeite.“ Sein Sohn Paul ist fast vier Jahre alt, der zweite Nachwuchs kommt im Herbst. „Vielleicht übernehmen sie ja mal die Eisdiele“, scherzt er. Denn neben der Bäckerei betreibt die Familie eine kleine Eisdiele in Wackersdorf. „Auch da machen wir alles in Handarbeit, natürlich ohne Basen, ohne künstliche Zusätze. So wie früher.“ Er lacht laut. „Eigentlich sind wir Exportschlager nach Wackersdorf. Die Anna macht das Eis, ich das Brot. Und beides mit Liebe.“
Tännesberg ist Biodiversitätsgemeinde und Wolfgang passt perfekt ins Bild. „Das ist eine Win-win-Situation“, sagt er. „Die Gemeinde freut sich, dass ich dabei bin, und ich freue mich, dass es ein solches Projekt gibt. Es zeigt, dass Handwerk und Natur zusammengehören.“ Zwei Bäckereien gibt es noch im Ort und zwei Metzgereien. „Und das ist gut so“, sagt er. Konkurrenz sieht er keine. „Jeder hat seine Nische. Ich habe meine und da bleibe ich auch, weil ich mich damit wohlfühle und damit gut leben kann.“ Er lehnt sich zurück, schaut über die Hügel, wo irgendwo sein Emmer wächst. Der Ofen knackt leise, der Duft von Brot zieht wieder einmal schmackhaft durch die Luft. „Ich sitze also ganz entspannt in meiner Nische“, sagt er schließlich, „und genau da bin ich daheim.“







